
Was mache ich mit meinem Ärger?
Auf einem Frauentreffen unterhalten wir uns über ärgerliche Situationen und wie ich selber damit umgehe. Eine Frau gibt zu: “Wenn ich mich über meinen Mann ärgere, könnte ich ihn vom 6. Stockwerk aus dem Fenster werfen.“
Wie oft ärgern wir uns! Der eine schneller, der andere langsamer. Der eine explodiert im Nu, der andere frisst es in sich hinein, und das kommt dann später fast unerkennlich an anderer Stelle hoch.
Sich ärgern ist an und für sich nicht falsch oder unerwünscht. Sich ärgern ist meine Reaktion des Unmuts, der Unzufriedenheit, des sich nicht Abfindens gegen eine Episode, ein Verhalten des andern, einen Zustand mit dem ich konfrontiert werde. Da begegnet mir etwas, das ganz und gar nicht in mein Lebenskonzept passt, oder in meine Erwartungen. Es bringt mich aus der Fassung. Es nimmt mir das Gleichgewicht. Ich strauchle, weil meine Gefühle stärker sind als ich. In dem Augenblick sehe ich nichts anderes mehr als nur „das böse Ding“. Leider verwechsle ich „das böse Ding“ (die Handlung, die Haltung, der Umstand) mit „der böse Mensch“. Und wenn es schon so weit gekommen ist, dass ich nicht mehr die falsche oder unglückliche Handlung des andern von ihm selbst trennen kann, dann ist das Zeichen dafür, dass mein Inneres Dinge, Gefühle und Personen alle in denselben Topf geworfen hat und daraus eine einzige Suppe gemacht hat.
Ich darf mich ärgern. Jesus hat sich auch sehr geärgert, als er die falsche Nutzung des Tempels sah. Sein Ärger galt dem Missbrauch des Gotteshauses und der sündhaften Handlung der Verkäufer. Die Menschen selbst hat er immer geliebt. Dafür ging er ja ans Kreuz. Auch für die Händler im Tempel.
Ich darf mich ärgern. Aber worüber? Wenn mein Mann „schon wieder“ etwas gesagt hat, dass mich aus der Fassung bringt, dann darf ich mich über seine Worte ärgern, über sein Verhalten. Deshalb werfe ich aber noch nicht meinen ganzen Mann aus dem Fenster. Er ist immer noch der Ehepartner, mit dem ich mich verpflichtet habe und dem meine versprochene Liebe gilt.
Ich darf mich ärgern. Aber wann? Wer sofort reagiert, explodiert wahrscheinlich unangemessen stark und merkt hinterher, dass er leider mal wieder einen großen Sturm in einem Wasserglas heraufgewirbelt hat. Der sagt leicht zu vieles und zu hartes, das ihm nachher bitter leid tut und mit dem er andere unnötig verletzt. Andererseits, wer erst einmal alles in sich hineinfrisst, hat noch lange nicht den Ärger beseitigt. Der ist da, ganz tief drinnen, und wird zu Groll. Der Groll ist wie das dumpfe Rollen eines Vulkans, der noch tief unter der Erde brodelt. Aber irgendwann bricht er aus, oft an einer unerwarteten Stelle. Und mit einer Gewalt, die Schaden und Trümmer verursacht. Der andere steht nur sprachlos davor und denkt: Woher kommt das denn?
Ich darf mich ärgern. Aber wie? Im Moment kann man kaum vernünftig reagieren. Bekannt ist die Regel: bis zehn zählen. Es hilft aber auch unglaublich sehr, wenn ich zumindest im Nachhinein versuche zu verstehen: Was war es überhaupt, das mich so geärgert hat? Warum waren meine Gefühle so aufgebraust? War es tatsächlich diese Situation oder reagiere ich auf einen alten Konflikt, den ich nicht richtig verarbeitet habe? Manchmal ist es auch hilfreich, später, wenn die Gefühle sich beruhigt haben, mit dem anderen zu reden, was und warum mich eine bestimmte Sache so aufregt und ihn zu bitten, nächstes Mal etwas anders an mich heranzukommen. Es ist aber auch oft genug der Fall, dass ich einfach nur mit mir selbst ins ehrliche Gespräch gehen sollte. Und siehe da, ich ärgere mich weniger. Oder sollte ich sagen: Ich ärgere mich etwas vernünftiger?
